Erben

 

Wer jetzt meint, ihn erwarte eine Abhandlung über das Erbrecht, verfasst von einem verstaubten, langweiligen Notar, mir runder Brille und Ellbogenschoner, vielleicht mit einem ebenso langweiligen grauen Ehefrauenmüsli daheim, liegt falsch, v.a. was die graue Maus anbetrifft. Nein, nicht über das Erbrecht wird die Schreibe sein, sondern über die Kunst des Erbens.

Erben ist ein Vorgang, der seit jeher bekannt ist. Erben passiert einfach so, ohne Dazutun von irgendjemandem. Der Erblasser - so nennt man ihn wirklich - hinterlässt gewisse Vermögenswerte, die dann auf die Erben übergehen. Ist der Nachlass überschuldet, wird er durch das Konkursamt liquidiert; dieser Fall ist für uns bzw. psychologisch nicht von Interesse. Was auf Seiten des Erblassers passiert, der Vermögensabgang, ist auch nicht sehr von Belang..

Wirklich spannend wird es beim oder bei den Erben. Je nachdem fallen dort erhebliche Vermögenswerte an, die eine ganz spezielle Eigenschaft haben: Es steht keine Gegenleistung wie z.B. Arbeit dahinter, sondern einfach in der Regel ein Verwandschaftsverhältnis zum Erblasser. Wie fühlt sich aber Geld an, das einfach anfällt. Ererbtes Geld ausgeben erfolgt ohne Budget, es steht kein anderer Budgetposten gegenüber, auf den man vielleicht verzichten muss. Es tut auch nicht weh, wenn man es ausgibt. Vielleicht kann man sich etwas leisten mit dem Erbe, von dem man nicht einmal träumen durfte. Manchem dürfte das ererbte Geld nur so durch die Finger fliessen, es geht fast so schnell weg wie es angefallen ist, vergleichbar mit Lotto-Gewinnen.

Für ererbtes Geld ist kein Budget, keine separate Kasse, keine selbst auferlegte Verfügungssperre hilfreich. Vielmehr braucht es den Charakter des Erben, um damit umzugehen. 

Besonders heikel wird es bei Übergang von Unternehmen im Erbgang. Die Verantwortung des Erben beschränkt sich nicht nur auf einen Vermögenswert, sondern auf Arbeitnehmer, Kunden etc. Speziell bei nicht vorbereiteten Erben ist der Übergang eines Unternehmens äusserst heikel.

Wer wie ich seit Jahrzehnten Nachlässe liquidiert (genau genommen seit 1976) muss noch ein Wort über Erbteilungen verlieren. Speziell denke ich dabei an Geschwister, die ein Erbe aufzuteilen haben. Was da alles aufbrechen kann an kleinen und grösseren Animositäten, an längst erledigt geglaubten Differenzen, an kleinen Nettigkeiten, alles manchmal noch verschärft durch "gutgemeinte" Anmerkungen der Ehegatten. Natürlich nicht immer, häufig (oder sagen wir oft) geht alles völlig in Minne über die Bühne.

Der Schreibende hat auch schon geerbt. Er hat auch erfahren müssen über Jahre und Jahrzehnte, dass erarbeitetes Geld nicht das Gleiche ist wie ererbtes Geld.

Für unendlich viele Tätigkeiten brauchen  wir Vorbereitung und Prüfungen. Nicht vorgeschrieben ist das für unwesentliche Dinge wie Ehe oder Kindererziehung.

Nicht vorgesehen sind auch Kurse für künftige Erben. Ich biete solche an gegen ein bescheidenes Honorar im einstelligen Prozent-Bereich der Anwartschaft. Ich bin sicher, dass ich durch Charaktermängel bei mir entstandene Vermögenseinbussen wieder wettmachen kann.





Oberhofen, im September 2012

Christoph Wirz